Angespuckt, angepöbelt, allein gelassen
Die Hessenschau thematisiert Gewalt und Alltagsrassismus
Diese jungen Hessen erleben täglich Rassismus und Gewalt
Veröffentlicht am 16.01.20 um 11:49 Uhr
Alltagsrassismus und Diskriminierung gehören für viele Hessinnen und Hessen zur Realität - bei manchen ein Leben lang. Sechs Erfahrungsberichte.
Von Anna Dangel (Protokolle)
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Leila*, 30 Jahre
Ich wurde vergangenes Jahr in einem Frankfurter Supermarkt von einem Mann rassistisch beleidigt und sehr fest geschubst. Damals war ich im siebten Monat schwanger. Er sagte: "Was läufst du hier mit deinem blöden Kopftuch rum?" Als ich gesagt habe, dass ich schwanger bin, hielt er mir die Faust ins Gesicht und sagte: "Noch schlimmer, noch so einer von euch."
Die Filialleitung des Supermarkts hat mich nicht ernst genommen und wollte, dass ich nach Hause gehe. Ich habe darauf bestanden, dass die Polizei kommt. Daraufhin saß ich zehn Minuten alleine mit dem Täter in einem Raum. Vor den Beamten hat mich der Täter weiter rassistisch beleidigt.
Die Polizisten haben das heruntergespielt. Von ihnen hieß es, er dürfe das sagen, das sei seine Meinung. Wenn ich nicht verletzt sei, könne ich keine Anzeige wegen Körperverletzung stellen. Ich habe mich nicht beschützt und ernst genommen gefühlt und geweint. Der Täter meinte zu mir: "Siehst du nicht, dass du allein bist. Niemand weint mit dir."
Jonny, 27 Jahre
Ich wurde schon gemobbt, geschubst, angespuckt und immer wieder mit Asiaten-Witzen konfrontiert. Dabei hieß es oft "Schlitzauge", "Verpiss dich", "Kannst du überhaupt Deutsch?" oder "Geh in dein Land zurück".
An der Frage nach der Herkunft stört mich ihre Häufigkeit und dass mir manche Leute damit das Gefühl geben wollen, dass ich ein Fremdkörper in diesem Land bin. Wenn ich über meine Erfahrungen mit Alltagsrassismus spreche, werde ich oft nicht ernst genommen. Viele spielen das Problem runter, weil sie selbst keine Erfahrungen damit machen.
Toni, 26 Jahre
Wenn ich auf meine Herkunft angesprochen werde, höre ich oft, dass ich ein gutes Beispiel für eine "gelungene Integration" sei. Dass ich hier geboren und aufgewachsen bin, ist für einige Menschen keine Option. Ich werde immer wieder gefragt, woher ich komme. Wenn ich mit Deutschland antworte, wollen viele das nicht als Antwort hinnehmen. Sie fragen dann immer wieder, woher ich denn wirklich komme.
Das nimmt oft absurde Züge an, weil manchmal bis zu drei Rückfragen kommen. Ich wurde auch schon gefragt, woher ich denn überhaupt meinen deutschen Nachnamen hätte. Als Antwortmöglichkeiten fiel der Person nur Adoption oder Heirat ein - ein deutsches Elternteil jedoch nicht.
Beruflich war ich schon in sehr vielen Ländern. In Kanada und Amerika werde ich nie gefragt, woher ich wirklich komme. Dort gab es nur dann Nachfragen, wenn mein Akzent im Englischen auffiel.
Nala*, 32 Jahre
In einem Sportverein wurde mir von einem Mitglied schon mal körperliche Gewalt angedroht, weil ich wenige Minuten zu spät kam. Ein anderes Mal wurde ich gefragt, ob ich wisse, dass der Sportverein etwas gegen Ausländer habe. Außerdem warb der Verein neue Mitglieder an - mit der Ansage, Flyer dürften nur in Briefkästen mit "deutschen" Nachnamen geworfen werden.
Mich hat das alles sehr verletzt und traurig gemacht. Eigentlich wollte ich den Verein anzeigen, das habe ich dann aber aus Angst nicht getan. Letzten Endes bin ich aus dem Verein ausgetreten.
Maimouna, 29 Jahre
Ich bin Frankfurterin, hier geboren und aufgewachsen und erlebe jeden Tag Rassismus. Gerade eben hat mir jemand auf der Straße wieder das N-Wort entgegengeschrien, als ich mit meinem Tageskind unterwegs war. Das erlebe ich fast jede Woche.
Immer wieder höre ich, ich solle "in mein Land zurück" oder werde mit gebrochenem Deutsch angesprochen. In der U-Bahn setzen sich die Leute oft als letztes zu mir in den Vierersitz. Ein Uni-Professor schrieb mir nach einer Uni-Klausur einmal, ich solle meine Deutsch-Kenntnisse verbessern.
Chou, 34 Jahre
Ich habe einmal knapp die U-Bahn verpasst. Ein VGF-Mitarbeiter, der am Gleis stand, rief mir entgegen: "In Deutschland fahren die Bahnen pünktlich." Das ist für mich versteckter Rassismus.
Nach dem Hessentag haben mehrere Polizisten an einer Bahn-Station einmal wahllos Leute kontrolliert. Mich haben sie ohne Vorwarnung zuerst an die Wand und dann auf den Boden gedrückt. Als ich ein Knie im Rücken hatte, meinte ein Polizist zu mir: "Das gefällt euch, Frauen zu belästigen. Wir werden euch kriegen." Als ich gesagt habe, dass ich mir das nicht gefallen lasse und die Dienstnummern der Polizisten haben will, hat mich einer der Beamten weg geführt und mich gehen lassen. Die Dienstnummern habe ich nie erhalten.
*Name von Redaktion geändert, alle Namen der Redaktion bekannt
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 16.01.2020, 19.30 Uhr