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Theater: Fremde Federn - Der Horst und seine Flüchtlinge
Donnerstag, 15. November 2018, 20:00

Peter Weyel: Fremde Federn
Der Horst und seine Flüchtlinge

"Was macht ein in die Jahre gekommener, mäßig erfolgreicher Artist? Er nutzt die Gunst der Stunde: Überlegt sich ein schlüssiges Konzept, schreibt Förderanträge mit möglichst viel Soziallyrik, schnappt sich ein paar Flüchtlinge und lässt die auf der Bühne für sich arbeiten ... Eine Win-Win-Situation? Von wegen!

Was Peter Weyel, Rita Bückert und Fabio Saccomani unter dem Titel "Fremde Federn" im Kammertheater des Freiburger E-Werk zeigen, ist eine bitterböse Satire, eine schräge und sehr komische Freakshow um falsches Gutmenschentum, Ausbeutung und ABhängigkeit. (Regie: Shiva Grings).
Dabei lauert die entlarvende Wahrheit von Anfang an in den Brüchen und Pausen. So wie schon in der kleinen Ansprache, die Künstler Horst (Peter Weyel) vorab an sein Publikum richtet: Im hellen Leinenanzug steht Horst als schlaksige Mischung aus Kolonialherr, Missionar und Sommerfrischler auf der mit Krimskrams gefüllten Bühne und berichtet von seiner Motivation "Take Chance international" ins Leben zu rufen: eine Organisation, die geflüchtete Artisten unter ihre Fittiche nimmt. Sein Buch "Leitfaden Integration" bewirbt er später mittels Clip auf der Leinwand.
Dann holt Horst seine Schützlinge Ilona und Sergej auf die Bühne, beide im "Take Chance"-Shirt und mit dem Status der Duldung, solange sie bei seinem Projekt mitmachen ... Gut für Horst! Denn so kann er sie vor der Show zur "Bettelperformance" schicken und sich den Hutinhalt blitzschnell in die eigene Hosentasche kippen.

In der folgenden Stunde wird er "seine Flüchtlinge" zunehmend enthemmt vorführen und triezen, manipulieren und erpressen, vor allem aber ihnen immer wieder die Show stehlen. Die ist gerade durch den parodistischen Subtext spannend: Geben Rita Bückert und Fabio Saccomani ihr ukrainisches Klischeepaar doch entlang vieler kleiner Nummern mit jeder Menge Clownerie und im Spagat zwischen Duldsamkeit, Stolz und Revolte. Sie zeigen sich dabei zusammen mit Weyel nicht nur als sehr gute Schauspieler, sondern auch als exakte Körperkünstler: So gibt es kurioses Oberton-Singen und Beatboxing, Bodenakrobatik und AUsdruckstanz, eine tolle Seifenblasenvorstellung mit exotischem Equipment oder die eigene Fluchtgeschichte im Cyr Wheel samt berührender Kriegsperformance mit riesigen Plastikfolien-Fahnen, die im blutroten Spot und Luftstrom zweier Ventilatoren knistern.


Eine trashige Jahrmarkt-Show, erfrischend provokant und durchaus mit Schmerzfaktor. "Über Probleme muss man Witze machen", so Peter Weyel. Gut, wenn man sich traut." von Marion Klötzer, veröffentlicht in BADISCHE ZEITUNG, 21.10.17


"Unterstützt durch das NATIONALE PERFORMANCE NETZ Gastspielförderung Theater, gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, sowie den Kultur- und Kunstministerien der Länder."

Ort Waggonhalle, Rudolf-Bultmann-Str. 2a, 35039 Marburg